Ausgabe 02-2025 I Aus den Reihen der Mitglieder
Abrechnung medizinischer Leistungen: Eine Übersicht
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. Ralf Siegert (1), Recklinghausen
unter dankenswerter Mitarbeit von Dr. jur. Alexander Peters (2),
Stefan Gottwald (3), Stefan Mechlinski (3)
Die Abrechnung vielfältiger medizinischer Leistungen ist ein hochkomplexes Thema, das in einem breiten Spannungsfeld von Wirtschaftsrecht, Arztrecht, Kassenrecht und dem Umsatzsteuerrecht bis hin zum Strafrecht steht. Obwohl
es dazu seit Jahren vielfältige Diskussionen, Stellungnahmen und Gerichtsverfahren gibt, fehlt es für manche medizinische Leistungen an klaren Regelungen für Ärzte, Versicherungen, Steuerberater und -prüfer sowie Anwälte und Richter.
Im Folgenden sollen Grundlagen der Abrechnungssystematik zusammengestellt sowie Hinweise und Vorschläge zu Regelungen der Abgrenzung umsatzsteuerpflichtiger von umsatzsteuerfreien Leistungen gegeben werden.
1. Abrechnung ambulanter Leistungen durch Ärzte
Ärzte rechnen ihre ambulant erbrachten Leistungen mit dem Patienten (Privatpatient) direkt oder meist über die kassenärztlichen Vereinigungen (KV) mit den gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) oder anderen Versicherungen wie Knappschaft, Berufsgenossenschaften oder anderen ab.
Zur Abrechnung stationärer ärztlicher Leistungen ist zunächst die Aufnahme in einer Klinik erforderlich. Die Abrechnungsvoraussetzung ist also der Aufnahmevereinbarung mit der Klinik nachgeordnet und von dieser abhängig. Für die Höhe der Liquidation stationärer Leistungen gelten besondere Bestimmungen (s. Punkt 3)
1.1 Medizinisch indizierte Leistungen als gesetzlich versicherte Leistungen
Der überwiegende Teil medizinischer Leistungen erfolgt bei gesetzlich versicherten Patienten. Die Abrechnung erfolgt über deren Versichertenkarte. Die Leistungen werden nach dem EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab) dokumentiert und digital an die KV (kassenärztlichen Vereinigungen) quartalsweise weitergeleitet. Die kassenärztlichen Vereinigungen honorieren die Leistungen an die Kassenärzte. Im Hintergrund erhalten sie die Honorare von den gesetzlichen Krankenversicherungen.
Daneben gibt es spezielle Bereiche wie beispielsweise den Knappschaftsverbund. Dieser rechnet für knappschaftsversicherte Patienten ebenfalls nach dem EBM, aber nach etwas anderen Bedingungen, ab und honoriert die Ärzte ihres eigenen Verbundes.
Für spezielle Krankheitsbilder gibt es auch Direktverträge zwischen den beteiligten Ärzten und den Krankenversicherungen.
Relativ neu sind die Hybrid-DRGs als spezielle Abrechnungsform ambulanter Eingriffe, die sowohl von zugelassenen Leistungserbringern, insbesondere Kassenärzten, als auch Krankenhäusern erbracht und in gleicher Höhe abgerechnet werden können. Seit 2024 gibt es dafür einen speziellen Katalog von Eingriffen, die als Hybrid-DRG abgerechnet werden können. Seit 2025 sind erstmals auch Operationen im Kopf-Hals-Bereich wie Lymphknotenentfernungen erfasst. Weitere HNO-Eingriffe sollen folgen. Die Höhe der Honorierung liegt dabei zwischen den ehemaligen EBM- und stationären DRG-Beträgen. Ärzte rechnen die Hybrid-DRG über die KV ab.
1.2 Medizinisch indizierte Leistungen als Privatleistungen
Die Abrechnung privater medizinischer Leistungen erfolgt nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte). Sie sind aufgrund ihrer medizinischen Indikation nach UStG §4 von der Umsatzsteuer befreit. Sie werden in folgenden Fällen mit Patienten direkt abgerechnet:
1.2.1 Patienten, die nicht gesetzlich versichert sind („Privatpatienten“)
Über 90% dieser Privatpatienten haben eine private Krankenversicherung. In bestimmten Fällen wird die Zahlungsverpflichtung von den Patienten an die Versicherungen abgetreten. Dies ist insbesondere bei stationären Behandlungen häufig der Fall.
1.2.2 Ausländische Patienten
Ausländische Patienten treten in der Regel in ein direktes Rechtsverhältnis mit dem Leistungserbringer, also in erster Linie dem Arzt ein.
Innerhalb der Europäischen Union gibt es daneben den E112 Krankenversicherungsschein. Ein Formular, das den Zugang zu medizinischen Leistungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ermöglicht. Er wird von den Krankenkassen in der Heimat des Versicherten ausgestellt und dient als Nachweis für die Kostenübernahme medizinischer Behandlungen im Ausland. Wenn dieser vorliegt, erfolgt die Abrechnung nach EBM über die KV analog zu Punkt 1.
1.2.3 Gesetzlich versicherte Patienten, die als Privatpatienten behandelt werden möchten
Es steht jedem gesetzlich versicherten Patienten frei, sich auch als Privatpatient behandeln zu lassen. Diesen Wunsch hat er ggf. vor der Behandlung dem Leistungserbringer (Arzt) mündlich und schriftlich zu versichern. Es besteht für gesetzlich versicherte Patienten auch die Möglichkeit von dem Leistungserstattungs- zum Kostenerstattungsprinzip nach §13 SGB V zu wechseln. Die zuständige gesetzliche Krankenversicherung kann dem Patienten dann die Leistungen nach den Sätzen des EBM erstatten. Ein solcher Wechsel ist vom Patienten schriftlich bei seiner Krankenasse zu beantragen und gilt für mindestens ein Quartal.
Während die Wahl des Kostenerstattungsprinzips das Recht des Versicherten ist, ist die sich daraus ergebende Kostenübernahme durch seine gesetzliche Krankenversicherung eine Kann-Regelung. Die Krankenkasse kann also die Kosten der Behandlung (in der gesetzlichen Höhe) übernehmen. Viele gesetzliche Krankenkassen sind dazu bereit, diese Kann-Regelung ihren Patienten zu genehmigen. Falls die Versicherung dies aber ablehnt, ist sie verpflichtet, ihren Versicherten eine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit nachzuweisen und anzubieten.
1.2.4 Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)
Die Erstattung medizinscher Maßnahmen bei gesetzlich versicherten Patienten durch deren Krankenversicherungen ist an das Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V gebunden, das die Leistungspflicht nach den Kriterien „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ begrenzt. Patienten können darüber hinaus medizinische Leistungen durchführen lassen, die von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht abgedeckt werden und/oder die in dem EBM nicht definiert sind. Der EBM hat eine Ausschließlichkeitsstruktur („abschließender Leistungsumfang“). Im Gegensatz zur GOÄ, die analoge Abrechnungspositionen bei bis dato nicht definierten medizinischen Leistungen zulässt, besteht diese Option im EBM nicht.
Beispiele für IGeL sind zusätzliche, über das Maß des EBM hinausgehende Ultraschalluntersuchungen während einer normalen Schwangerschaft, spezielle Laboruntersuchungen, Implantate zur Naseneingangserweiterung oder Schlafendos-kopien zur Diagnostik des Schnarchens.
1.3 Umsatzsteuerpflichtige medizinische Leistungen
Die Umsatzsteuerbefreiung nach UStG §4 Nr. 14 gilt nur für medizinisch indizierte Leistungen. Die medizinische Indikation basiert – völlig unabhängig von und teilweise im Gegensatz zu den genannten Begrenzungen der Leistungspflicht nach dem SGB V – in einer Gesundheitsdefinition, wie sie von der WHO bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1948 gilt.
Diese Definition lautet:
„Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Zu den medizinisch indizierten Leistungen zählen neben den Behandlungen von „klassischen“ Krankheitsbildern wie Infektionen, Tumoren und funktionellen Störungen auch
− Unfälle einschließlich deren Folgen
− kongenitale Fehlbildungen wie LKG-Spalten und
Ohrmuscheldysplasien
− genetische determinierte, entwicklungsbedingte Fehl-
for men wie beispielsweise Minderwuchs
Darüberhinausgehende ärztliche Leistungen sind nicht umsatzsteuerbefreit. Dies gilt insbesondere für Schönheitsmaßnahmen wie Injektionen von Botox und Fillern, das Bleaching von Zähnen oder Operationen wie Facelift zur Rejuvenation (Verjüngung). Die Indikation für ärztliche Leistungen außerhalb deren medizinischen Notwendigkeit ergibt sich aus der individuellen Situation und dem Wunsch des Patienten.
Eine Besonderheit stellt die Behandlung von Komplikationen nach medizinisch nicht notwendigen Eingriffen dar. Die Kosten für die notfallmäßige Versorgung der Komplikation wird zunächst von der zuständigen Versicherung übernommen. Sie hat das Recht, diese Kosten vom Patienten zurückzufordern (§52 SGB V), was in der Realität aber nur selten erfolgt. Eine erneute, dann ebenfalls medizinisch nicht indizierte Korrekturoperation ist selbstverständlich umsatzsteuerpflichtig.
1.4 Kombinierte operative Eingriffe
Anlass für Diskussionen auf verschiedenen Ebenen bieten immer wieder die schwierigen Abgrenzungen bei Operationen, die sowohl medizinisch indizierte als auch medizinisch nicht indizierte, „ästhetische“ Wunschbehandlungen umfassen. Hier ist zwischen folgenden Situationen zu differenzieren (Tab. 1):
Tab. 1: Kategorisierung von funktionellen und ästhetischen Kombinationseingriffen
Eingriffe | Bedingung | Wichtiges Procedere |
Anatomisch und zeitlich zu trennende Operationen | OPs an verschiedenen Organen | Aufteilung in zwei Rechnungen und genaue intraoperative Abgrenzung |
Kategorisierung von kombinierten Operationen eines Organs nach ... | ||
Majorität | Zweit-OP ist erhebliche Nebensache nach Aufwand | Genaue prä-operative Dokumentation der Befund |
Wunsch | Zweit-OP ist von äußerst untergeordneter Indikation | Genaue prä-operative Dokumentation der Anamnese |
Zeit | Aufteilung nach OP-Schritten | Genaue intra-operative Dokumentation der OP-Schritte |
1.4.1 Anatomisch und zeitlich zu trennende Operationen
Es ist durchaus möglich in einer Sitzung, d.h. während einer Narkose, getrennte Eingriffe durchzuführen. Erfolgen diese Operationsanteile an verschiedenen anatomischen Strukturen und zeitlich voneinander getrennt, so lassen sie sich abrechnungstechnisch exakt trennen.
Erfolgt beispielsweise während einer Narkose zunächst eine Weichgaumenkorrektur zur Reduktion nächtlicher Engstellen, die medizinisch indiziert und damit umsatzsteuerbefreit ist, und anschließend eine Lidplastik zur Verjüngung des äußeren Erscheinungsbildes, so werden die Leistungen in getrennten Rechnungen oder zumindest differenzierten Rechnungsanteilen mit bzw. ohne USt erfasst. Die Rechnung für die ästhetische Operation hat der Patient zu begleichen. Die Leistungen für die medizinisch indizierten Maßnahmen werden je nach Versicherungssituation des Patienten, also je nachdem ob er gesetzlich oder privat versichert ist, der KV oder ihm persönlich ohne USt in Rechnung gestellt.
1.4.2 Kombinierte Operationen eines Organs
Schwieriger wird die Situation bei kombinierten Operationen eines einzigen Organs wie beispielsweise der Nase. Hier ist in vielen Fällen eine klare Trennung in einen medizinisch indizierten Operationsteil und eine Schönheitsoperation sehr viel problematischer.
Klare Abgrenzungen, an denen sich alle Beteiligten, also die operierenden Ärzte, Anästhesisten, Steuerberater und -prüfer sowie Juristen orientieren können, gibt es bisher nur ansatzweise. Mögliche Kategorisierungen und Differenzierungen kann die folgende Einteilung bieten:
1.4.2.1 Majoritätskategorisierung
Der funktionelle, medizinisch indizierte oder der ästhetische Anteil stehen wesentlich im Vordergrund und der jeweils andere Anteil ist von erheblich untergeordneter Bedeutung, so dass der Eingriff in toto cum grano salis einer Kategorie zugeordnet werden kann. Beispielsweise hätte die „kleine Exzision eines ästhetisch störenden Nävus“ eine absolut untergeordnete Bedeutung neben der gleichzeitig durchgeführten Septumplastik.
1.4.2.2 Wunschkategorisierung
Die Zuordnung erfolgt aufgrund des primär vom Patienten geäußerten Wunsches. Beispielsweise stört ihn sein müder Gesichtsausdruck wegen seiner hängenden Lider und auf einer Lidkante befindet sich ein kleiner Nävus, den „der Operateur doch gleich mit wegnehmen möge“. In diesem Fall dominiert sein Wunsch nach der verjüngenden Blepharoplastik die Indikation und damit auch die Kategorisierung.
Umgekehrt kann auch der Wunsch zur Nasenatmungsverbesserung dominieren und der Wunsch zur gleichzeitigen Korrektur einer Kante auf dem Nasenrücken nur dadurch geweckt werden, dass wir die Nase genau untersucht und auf diese anatomische Besonderheit hingewiesen haben.
Um hier einem Verdacht einer „Rechtsdehnung“ oder gar eines Betrugs vorzubeugen, ist ergänzend zu der Anamnese der klinische und wenn möglich funktionelle Befund genau und objektiv zu dokumentieren.
1.4.2.3 Zeitkategorisierung
In Anlehnung an das Vorgehen bei kombinierten Eingriffen in verschiedenen anatomischen Regionen wird der Eingriff intraoperativ nach einzelnen Schritten differenziert, die jeweils zeitlich genau dokumentiert und einer der Kategorien zugeordnet werden. Dementsprechend lassen sich dadurch differenzierte Rechnungen analog zu Punkt 1.4.1 erstellen.
Unter Berücksichtigung der Grenzen der Leistungsverpflichtungen des SGB V („ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“) und der Ausschließlichkeit des EBM sind die Leistungen solcher kombinierter Eingriffe bei gesetzlich versicherten Patienten sogar in die folgenden drei Kategorien zu differenzieren:
1.4.2.3.1 Ästhetische umsatzsteuerpflichtige Leistungen,
die dem Patienten nach GOÄ + 19 % USt berechnet werden
1.4.2.3.2 Umsatzsteuerfreie IGeL
die dem Patienten nach der GOÄ berechnet werden
1.4.2.3.3 Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen,
abgerechnet nach EBM i. d. R. über die KV
Diese klare Kategorisierung in Verbindung mit einer exakten medizinischen Dokumentation kann dazu beitragen, die seit langem bestehende Rechtsunsicherheit zu reduzieren.
2. Abrechnung von Behandlungen durch Kliniken
2.1 Im Landesbettenplan registrierte Krankenhäuser
Krankenhäuser, die unter das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) fallen, rechnen medizinisch indizierte Leistungen m. E. nach dem DRG-System ab. Wahlleistungspatienten können zusätzlich Rechnungen nach der GOÄ erhalten. Wenn es sich um Belegabteilungen handelt, werden Krankenhausleistungen nach den etwas geringeren Belegabteilungs-DRGs abgerechnet, in dem die ärztlichen Leistungen des Operateurs datenmäßig eliminiert sind. Eingriffe, die als Hybrid-DRG definiert sind, rechnen die Krankenhäuser unter Angabe der Pseudo-GOPs im Gegensatz zu den Vertragsärzten, die über die KV abrechnen, direkt mit den Krankenkassen ab.
Medizinisch nicht indizierte oder kombinierte Leistungen dürfen diese Krankenhäuser aufgrund ihrer staatlichen Förderung nicht ohne Weiteres bzw. nur sehr eingeschränkt anbieten.
2.2 Privatkliniken
2.2.1 Ambulante Leistungen
Privatkliniken, die ambulante ärztliche Leistungen erbringen, sind dabei wie Ärzte selber an die GOÄ gebunden (BGH vom 4.4.2024, Az III ZR 38/23). Sie können und müssen also ihre Rechnungen in gleicher Höhe erstellen wie es ein selbst-liquidierender Arzt hätte tun müssen. Da die Kliniken aber meist als Kapitalgesellschaft – typischerweise als GmbH – organisiert sind und damit eine Bilanzpflicht haben, während wir Ärzte meist freiberuflich tätig sind und daher i. d. R. nach Einnahme-Überschuss-Rechnung besteuert werden, kann die Abrechnung über eine Klinikstruktur deutliche steuerlich Vorteile bieten. Dies hängt aber von der konkreten Konstellation der Beteiligten ab und sollte unbedingt mit einem versierten Steuerberater analysiert werden. Leistungen des EBM oder von Hybrid-DRGs können Privatkliniken nicht abrechnen.
2.2.2 Stationäre Leistungen
Im Gegensatz zu den staatlich subventionierten Kliniken dürfen Privatkliniken stationäre Leistungen unabhängig von der GOÄ oder dem DRG-System anbieten.
2.2.2.1 Bei gesetzlich versicherten Patienten
Bei gesetzlich versicherten Patienten, die Kostenerstattung nach §13 SGB V gewählt haben, sollten sich die Rechnungen an den Fallpauschalen staatlich geförderter Kliniken orientieren, damit eine Erstattung der Kosten durch die GKV zu erwarten ist. Rechtlich bindend ist diese Empfehlung aber nicht. Über die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen der Behandlung ist insbesondere der gesetzlich Versicherte zuvor explizit aufzuklären.
2.2.2.2 Bei privat versicherten Patienten
Sind Erstattungen durch private Krankenversicherungen angestrebt, werden die Krankenhausleistungen i. d. R. an das DRG-System angepasst, allerdings mit Basisfallwerten, die von den Landesbasisfallwerten abweichen können (4). Die Höhe des vereinbarten Basisfallwertes sollte sich an den Leistungen und der Kostenstruktur der Privatklinik orientieren, ist aber rechtlich letztlich nur durch den § 138 BGB (sittenwidriges Rechtsgeschäft) begrenzt. Bei Basisfallwerten, die erheblich über dem Landesbasisfallwert liegen, ist die vollständige Erstattung durch Privatversicherungen fraglich, so dass auch hier der Patient expressiv verbis über die wirtschaftlichen Folgen seiner Behandlung im Vorfeld schriftlich aufzuklären ist.
Werden ärztliche Leistungen, wie typischerweise bei Privatpatienten, getrennt von den Klinikleistungen liquidiert, so sind diese ebenfalls analog zu Wahlleistungen in Krankenhäusern, die nach dem KHG gefördert werden, nach der GOÄ abzurechnen und um 15 % zu mindern.
Für die Kategorisierung der Leistungen in umsatzsteuerfreie und umsatzsteuerpflichtige Leistungen gilt analog die oben aufgeführte Differenzierung. Die Privatkliniken sind grundsätzlich in gleicher Weise an diese Aufteilung gebunden. Nach einer internen, nicht veröffentlichten Anweisung eines hohen Finanzamtes, sollte die Steuerbefreiung für medizinisch indizierte Leistungen für Privatkliniken nur akzeptiert werden, wenn mindestens 40 % ihrer Eingriffe medizinisch indizierte seien. Diese Einschränkung ist aber gerichtlich bisher nicht abschließend geklärt.
3. Abrechnung stationärer Behandlungen durch Ärzte
Bei gesetzlich versicherten Patienten, die belegärztlich versorgt werden, erfolgt die Abrechnung der ärztlichen Leistungen – zusätzlich zu der DRG-Abrechnung der Klinik – nach dem EBM über die KV.
Stationäre Behandlungen von Privatpatienten liquideren Ärzte
nach der GOÄ. Angestellte Ärzte, meist Abteilungsleiter, an staatlich subventionierten Krankenhäusern müssen dabei ihre GOÄ-Rechnungen um 25 % mindern (§17 Abs. 3 KHEntgG und §6 Abs. 1 GOÄ). In den heutigen Chefarztverträgen wird das Liquidationsrecht meist an das Krankenhaus abgetreten, welches die gesamte Abrechnungsorganisation übernimmt. Je nach Arbeitsvertrag erhalten die Chefärzte dann eine bestimmte, frei verhandelbare Beteiligungsvergütung.
In Belegabteilungen und meist auch in Privatkliniken bleiben die Ärzte freiberuflich tätig. Sie müssen ihre GOÄ-Rechnungen nur um 15 % mindern (§6a GOÄ).
Auch wenn die Höhen der prozentualen Minderungen nicht gesetzlich festgelegt sind, stellen sie doch die anerkannte Praxis
dar. Abweichungen davon dürften kaum durchsetzbar sein und beinhalten das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen.
4. Zusammenfassung
Das System der Abrechnung ärztlicher Leistungen hat sich in Deutschland historisch äußerst komplex entwickelt. Daher bietet es für alle Beteiligten immer wieder Anlass für Diskussionen und Auseinandersetzungen. In Tab. 2a sind die wesentlichen Abrechnungsklassen für ambulante und in Tab. 2b für stationäre Behandlungen zusammengefasst. Um ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu erreichen und konsekutive Auseinandersetzungen zu vermeiden ist eine exakte Dokumentation von Anamnese, klinischer, inspektorischer und funktioneller Untersuchung und daraus abgeleitet eine genaue Klassifikation der Behandlungsstruktur (Tab. 2) und Kategorisierung von Operationen (Tab. 1) erforderlich.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Dr. med. dent.Ralf Siegert
Siegert Medical Center
Dorstener Str. 153, D-45657 Recklinghausen
Tab. 2a: Ambulante Eingriffe
Rechnungssteller | medizinisch indiziert | KP vs. PP | Katalog | Rechnungsempfänger |
Arzt | Ja | KP | EBM | KV |
Arzt | Ja | PP | GOÄ | Pat>PKV |
Arzt | Ja | EU-Bürger mit E112 Schein | EBM | KV |
Arzt | Ja | Ausländer ohne E112 Schein | GOÄ | Pat |
Arzt | Ja | KP mit Kostenerstattung nach §13 SGB V | GOÄ | Pat>GKV |
Arzt | Nein | Beliebig | GOÄ+19% USt | Pat |
Arzt | Kombinations-OP | Je nach Kategorie (s. 1.4) | ||
Staatlich subven- tionierte Klinik | Ja | KP eingeschränkt, nur Hybrid-DRGs und spezielle Zulassungen | Hybrid-DRG EBM | GKV KV |
Staatlich subven- tionierte Klinik | Ja | PP | GOÄ | Pat>PKV |
Staatlich subven- tionierte Klinik | Nein | Wg. staatlicher Subvention nur eingeschränkt möglich | ||
Privatklinik | Ja | KP nicht möglich | ||
Privatklinik | Ja | PP | GOÄ | Pat>PKV |
Privatklinik | Nein | Beliebig | GOÄ+19% USt | Pat |
Tab. 2b: Stationäre Eingriffe
Rechnungssteller | medizinisch indiziert | KP vs. PP | Katalog | Rechnungsempfänger |
Staatlich subven- tionierte Klinik | ||||
Hauptabteilung | Ja | KP | DRG | GKV |
Hauptabteilung | Ja | PP | DRG GOÄ-25% | Pat>PKV |
Hauptabteilung | Nein | Wg. staatlicher Subvention nur eingeschränkt möglich | ||
Belegabteilung | Ja | KP | Beleg-DRG EBM | GKV KV |
Belegabteilung | Ja | PP | Beleg-DRG GOÄ-15% | Pat>PKV |
Belegabteilung | Nein | Wg. Staatlicher Subvention nur eingeschränkt möglich | ||
Privatklinik | Ja | KP nach individueller Genehmigung durch KV | DRG (evtl. Abzug) | KV |
Privatklinik | Ja | KP mit Kostenerstattung nach §13 SGB V | DRG (evtl. PK-DRG) | Pat>GKV |
Privatklinik | Ja | PP | PK-DRG-15% | Pat>GKV |
Privatklinik | Nein | Beliebig | PK-DRG+19% GOÄ+19% USt | Pat |
Privatklinik | Kombinations-OP | Je nach Kategorie (s. 1.4) | ||
Privatklinik | Hotelleistung | Indiv. Rechnung +7% USt | Pat | |
Privatklinik | Verpflegung bei Hotelleistung | Indiv. Rechnung +19% USt |
Gloassar
DRG Fallpauschalen für stationäre Behandlungen
Beleg-DRG DRG für Belegabteilungen um Arzthonorar gemindert
Hybrid-DRG sektorenunabhängige Fallpauschalen für ambulant durchführbare Operationen
PK-DRG DRG mit Basisfallwert einer Privatklinik
EBM Einheitlicher Bewertungsmaßstab / Leistungsverzeichnis für Kassenpatienten
GKV gesetzliche Krankenversicherung
GOÄ Gebührenordnung für Ärzte / Leistungsverzeichnis für Privatpatienten
GOP Gebührenordnungsposition
IGeL Individuelle Gesundheitsleistungen keine Leistung der GKV
KHG Krankenhausfinanzierungsgesetz
KP Kassenpatient
KV Kassenärztliche Vereinigung
PKV private Krankenversicherung
PP Privatpatient
SGB V Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V)
UStG Umsatzsteuergesetz
Trotz sorgfältiger Recherche wird für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der rechtlichen Inhalte keine Haftung übernommen; sie dienen ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzten keine rechtliche Beratung im Einzelfall.
(1) S•MED Klinik, Recklinghausen
(2) Fachanwalt für Medizinrecht, Düsseldorf, Koblenz
(3) Steuerberater Kanzlei Aleff und Partner, Dorsten
* Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text auf das Gendern verzichtet.
(4) In dem DRG-System des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK GmbH) sind die Kosten der ärztlichen Leistung wie Operation und Anästhesie integriert.